Sonntag, 13. Januar 2013

Elektromobilität - "Innovation nach Vorschrift"

"E-Autos sind ein Muss" ist das Interview mit Norbert Reithofer, BMW Chef, in der Wirtschaftswoche vom 7.1.2013 überschrieben. Reithofer sieht bei 120 Gramm pro km eine technologische Grenze für die konventionellen Technologien. Damit BMW auf die geforderten 101 Gramm bis 2020 zu kommen, braucht BMW Elektroautos und eine entsprechende Anrechnung bei der Ermittlung des Flottenverbrauchs. Dabei sieht Reithofer einen Faktor 2,5 (heute 1,3) gegenüber Benziner oder Diesel in der EU für ein Minimum. BMW wird Ende 2013 mit dem i3 als einem elektrischen Kleinwagen in der Premiumklasse auf den Markt kommen. Hinsichtlich des Preises wird über einen Betrag von 40.000 Euro spekuliert.

In der Jahresendausgabe der Wirtschaftswoche vom 22.12.2012 frohlockt der VW-Chef Martin Winterkorn "2013 werde in Deutschland das Jahr der Elektromobilität". Für den September 2013 wird der E-Up mit einem erwarteten Preis von 23.000 Euro erwartet. In der Wirtschaftswoche vom 6.10.2012 wird Martin Winterkorn mit den Worten zitiert „Wir werden zeigen, wie man es richtig macht“. Bereits Anfang 2014 und damit ein Jahr früher als ursprünglich geplant soll der Golf Plug-in-Hybrid mit einem Aufpreis von "nur" 8.000 Euro auf den Markt kommen. 50 km rein elektrisch und 2 l/100 km über Land sind die angekündigten Leistungsdaten des Golf Twin-Drive, der das Wirklichkeit werden lässt, was Ferdinand Porsche schon Ende des 19. Jahrhunderts als Idee hatte - die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor. Der Prius-Plug-in von Toyota kann das schon, allerdings nur 25 km elektrisch und der Aufpreis beträgt knapp 10.000 Euro.
Die Robert Bosch GmbH als der größte Automobilzulieferer weltweit sieht einen Volumenmarkt für Elektromobilität nicht vor 2020. Nach Geschäftsführer Bernd Bohr strebt Bosch einen zweistelligen Marktanteil an und investiert dafür 400 Mio. Euro jährlich in die Elektromobilität mit den Komponenten Batterie, Batteriemanagement, Leistungselektronik und Elektromotoren. Derzeit bestehen für die Batterietechnik Überkapazitäten. Weltweit könnten 250.000 reine Elektroautos ausgestattet werden, allerdings kam 2012 nur etwa 22.000 Fahrzeuge auf den Markt.
Gemäß Geschäftsführer Bernd Bohr hat die Branche aktuell wenig euphorische Markteinschätzungen. Insbesondere die Äußerungen von Norbert Reithofer, lassen bei mir den Eindruck aufkommen, dass die Entwicklung hauptsächlich durch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Flottenverbräuche getrieben ist. Ob der Gesetzgeber ein geeigneter Treiber für Innovationen ist, mag der Leser selbst beurteilen. Persönlich glaube ich jedoch, dass Erfinder und Innovatoren wie Carl Benz,  Gottlieb Daimler oder Robert Bosch in ihren Drang etwas Neues zu schaffen durch etwas anderes angetrieben waren.

Wie viele Vergleiche, hinkt sicherlich auch der folgende. Wenn man den Übergang von der Dampflokomotive zur E-Lok umschreiben will, fallen einem folgende Aussagen ein (vgl. Vortrag Dr. M. Klaussner, Vice President Engineering, Business Unit Electric and Hybrid Vehicles, Robert Bosch GmbH, Oktober 2012):


Pro Dampf
  • Firmen wie Borsig, Krupp, Henschel, Krauss-Maffei
  • Neue Infrastruktur viel teurer als Transport mit Dampf-Lokomotive
Pro E-Lokomotive
  • Firmen wie Siemens, AEG, BBC
  • E-Lokomotiven sind wirtschaftlicher und leistungsfähiger, wenn die Elektrifizierung der Strecken vorgenommen ist.
Vor diesem Hintergrund haben "verzweifelte" Versuche stattgefunden, die Dampflokomotive zu erhalten:
  • 1957 entwickelt Krupp die BR10 neu mit dem Ziel die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu steigern.
  • 1953-57 Effizienzverbesserung der S3/6  durch Krauss-Maffei
1975 Außerdienststellung der letzten Dampflok in West-Deutschland.

Betrachtet man die Optionen der Automobilindustrie im Umgang mit der Elektromobilität so lassen sich zwei grundsätzliche Verhaltensweisen unterscheiden:

Reaktiv:
  • Veränderung ist Bedrohung
  • Verteidigung gegenüber Veränderungen
  • Nutze aktuelle Stärke, um Veränderungen zu verzögern/verschieben
 Initiativ:
  • Veränderung wird als Chance gesehen
  • Aktiv Veränderung betreiben
  • Nutze aktuelle Stärke, um Veränderung zu gestalten.
 Der Blick zurück in die Industriegeschichte hilft dabei, sich für die wohl bessere Option zu entscheiden!